Ukraine und Russland
Viktoriias Heimatland im Krieg
Bearbeitet von Grenzgenial
Stelle dir vor, in deinem Heimatland ist Krieg, und du bist weit weg in einem anderen Land. Das ist die Situation von Viktoriia Yakymchuk aus Hadersleben. Im Interview mit uns spricht die junge Ukrainerin über ihre Ängste und Hoffnungen, aber auch über ihre Schuldgefühle in dieser Zeit.
„Für uns sind es sehr düstere Tage“, sagt Viktoriia Yakymchuk. Die Ukrainerin ist 25 Jahre alt und wohnt seit vier Jahren in Hadersleben in Dänemark. Hier lebt sie mit ihrem Mann Andrii Shevchenko. Beide können nur schwer begreifen, was in ihrem Heimatland gerade passiert.
„Ich kann nachts nicht schlafen. Ich habe zum Glück ein paar Tabletten bekommen, die gegen die Angst helfen.“ Seit dem Einmarsch der russischen Truppen am 24. Februar herrscht in der Ukraine Krieg. „Ich mache mir Sorgen um meinen kleinen Bruder“, erklärt Viktoriia Yakymchuk. „Er ist gerade erst 18 Jahre geworden. Er ist jetzt erwachsen, aber eigentlich nur auf dem Papier“, erzählt sie über ihren Bruder, der in Lwiw (Lemberg) im Westen der Ukraine studiert.
Name: Viktoriia Yakymchuk
Alter: 25 Jahre
Wohnort: Hadersleben, Dänemark
Nationalität: Ukrainerin
Er darf das Land jetzt nicht mehr verlassen. Vielleicht muss er den Kriegsdienst antreten, weil er jetzt 18 Jahre alt ist – das hat der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bestimmt. „Vor zwei Wochen hatten wir noch überlegt, ob wir ihn hier nach Dänemark holen. Aber wir haben nicht geglaubt, dass es so schlimm kommen würde. Dazu kommt, dass mein Bruder keinen international gültigen Pass hat“, erzählt Viktoriia.
Victoriia sieht sehr erschöpft aus. „Wenn ich zu Hause die Nachrichten sehe, kann ich nur weinen.“ Immer wieder bekommt sie Updates von Freunden und Verwandten aus der Ukraine. „Das löst so viele Gefühle aus, das kann sich keiner vorstellen, der das nicht selbst erlebt hat.“
Ich denke eigentlich immer nur, lieber Gott, vielleicht kommt die Nachricht nicht heute, nicht jetzt!
Viktoriia Yakymchuk
Sie hat große Angst, dass plötzlich die Nachricht von ihrem Bruder eingeht, in der steht: „Ich muss in den Krieg ziehen.“ „Ich warte eigentlich nur darauf. Nein, warten ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich denke eigentlich immer nur, lieber Gott, vielleicht kommt die Nachricht nicht heute, nicht jetzt.“
Auch um Familie und Freunde hat sie Angst. „Meine Freunde sitzen auf gepackten Koffern. Sie sind jederzeit bereit, in den Bombenkeller zu gehen oder das Land zu verlassen.“
Doch noch gibt die Ukrainerin die Hoffnung nicht auf, dass alles gut ausgeht. Sie hofft auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Ich finde, unser Präsident ist der beste Präsident, den wir in den vergangenen 20 Jahren hatten. Er gibt uns Macht, er spricht mit uns, und er erinnert uns daran, dass wir nicht aufgeben sollen. Die Ukraine ist auch demokratisch. Wir sind ein freies Land, wie alle anderen Länder in Europa auch. Wieso sollten wir einen Teil unseres Landes an Russland abgeben?“
Wie viele andere Ukrainer, die im Ausland leben, will auch Victoriias Mann in die Ukraine zurück, wenn er dort gebraucht wird. „Mein Mann sagt, es ist ihm peinlich, hier in Dänemark zu bleiben, wenn wir in der Ukraine helfen können“, erklärt sie. Noch kann er dort ohne militärische Ausbildung aber nicht viel helfen.
Auf die Frage, ob auch sie mitgehen will, antwortet sie: „Natürlich gehe ich mit. Ich kann nicht hierbleiben. Wenn meinem Mann dort etwas passiert, wie soll ich dann mein Leben hier in Dänemark weiterleben? Das ist unmöglich“, sagt sie niedergeschlagen und fügt hinzu: „Es klingt wie ein Hollywood-Film, aber es ist die Realität – leider.“